Die jüdische Gemeinde in Lemgo war klein. Kurt Gumpels älterer Bruder Herbert, später Mordechai genannnt, hat die Synagoge der Gemeinde als "sehr schön ausgestattet" in Erinnerung. In Gottesdiensten hat er häufig das 16-Register-Harmonium bedient. Einen eigenen Prediger oder Rabbiner konnte sich die Gemeinde nicht leisten. Häufig hat der Vater, Gustav Gumpel, den Gottesdienst geleitet - "er hatte die Anlagen dazu" (Herbert Gumpel) und hatte ursprünglich vorgehabt, Rabbiner zu werden und sich erst später für den Kaufmannsberuf entschieden.
Liste der "Volljuden": Familie Gumpel
GUMPEL, geb.Hammel Ernestine Witwe 22.6.1848 (geb.) Wolstein (Geburtsort) jüd., verwandt, zugezogen am: 1.12.1921 von: Dortmund Mittelstr.82 Bemerkungen: am 1.5.33 tot
GUMPEL, Gustav Kaufm. 29.4.1883 Harth jüd. verheiratet Mittelstr. 82 Bemerkungen: am 6.1.37 tot
GUMPEL, Hans Angest. 20.5.1914 Lemgo jüd. ledig zugezogen am: 20.5.1914 von: seit Geburt verzogen am: 29.4.1936 nach Frankfurt a/M
GUMPEL, Herbert 14.2.1912 Lemgo jüd. Ledig zugezogen am:1.4. 1914 verzogen am :4.7.1935 nach: Frankfurt a/M
GUMPEL, Kurt Sohn 28.3.1922 Lemgo jüd. ledig zugezogen am: 28.3.1922 von: seit Geburt verzogen am 12. 2 1937 nach : Neuendorf
GUMPEL, geb. Mosberg Rosalie Ehefrau 19.2.1893 Lemgo jüd. verwandt zugezogen am: 1.4.1914 Mittelstr. 82
Die Synagoge war am 19. Oktober 1883 eingeweiht worden. Durch Kollekten und Spenden war der Bau finanziert worden. Die Weiherede wurde über 1. Mose 28 gehalten, in dem dieser Bau als "Haus des Friedens, Ort wahrer Menschenliebe und gläubiger Gottesverehrung" bezeichnet wurde.
In der Reichspogromnacht brachen am frühen Morgen des 10. November 1938 zwischen 3 und 4 Uhr Lemgoer und andere SS-Männer die Synagogentüren auf und zerstörten die Inneneinrichtung weitgehend. Da kein Benzin zur Verfügung stand, scheiterte der Versuch, das Gebäude in Brand zu setzen. Im Verlauf des Vormittags des 10. November 1938 zerschlugen Hitlerjungen, was noch ganz geblieben war. Mittags schließlich stand die Synagoge in Flammen und brannte völlig aus. Die Feuerwehr beschränkte sich auf den Schutz der Nachbarhäuser. Zahlreiche Schaulustige waren zugegen.
Nähere Informationen Auszug aus der Liste der Lemgoer "Volljuden" Nähere Informationen Übersicht über die Gesetze gegen Juden in Deutschland 1933-1943 Gedenktafel am Platz der ehemaligen Synagoge, in den sechziger Jahren angebracht
In den sechziger Jahren wurden am Platz der ehemaligen Synagoge in der Neuen Straße / Freier Hof zwei Tafeln angebracht. 1987 hat die Stadt Lemgo zum Gedenken an die Opfer des Holocaust eine Mahnund Gedenkstätte errichtet.
Bäume aus Israel, Kieselsteine, die an die knirschenden Glasscherben der Pogromnacht vom 9.11.1938 erinnern sollen - ein Denkmal am Platz der Lemgoer Synagoge. An dieser Stelle stand die Lemgoer Synagoge.
1999 wurden hier Tafeln mit den Namen der Lemgoer Juden angebracht, die in Konzentrationslagern umgebracht worden waren. Diese Tafeln wurden am 9. November 1999 der Öffentlichkeit übergeben. Einige der noch lebenden Lemgoer Juden waren zugegen, unter ihnen Kurt Gumpel.
Maßnahmen/Gesetze gegen Juden im "Dritten Reich"
1933
März erste lokale Ausschreitungen der SA gegen Juden
1. April Boykott jüdischer Geschäfte
7. April Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums durch den Arierparagraphen werden die jüdischen Beamten (11. April), Arbeiter und Angestellte bei den Behörden (4. Mai) und jüdische Honorarprofessoren, Privatdozenten und Notare entlassen
22. April jüdische Ärzte dürfen nicht mehr für Krankenkassen arbeiten
25. April Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen Begrenzung der Anzahl jüdischer Schüler und Studenten entsprechend dem Bevölkerungsanteil auf 1,5 %
14. Juli Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit Gesetz richtet sich gegen die Ostjuden
29. September Reichserbhofgesetz: Bauer kann nur sein, wer deutscher Staatsbürger, deutschen oder stammesgleichen Blutes und ehrbar ist.
28. Dezember jährliche Begrenzung der Neuaufnahme jüdischer Studenten an den Hochschulen auf 15 000
1934
5. Februar Ausschluss jüdischer Studenten von Examen für Ärzte und Zahnärzte
22. Juli jüdische Studenten nicht mehr zu Prüfungen beim Jurastudium zugelassen
18. August Einschränkung der Zahl jüdischer Berufsschüler
8. Dezember Juden nicht mehr zur Apothekerprüfung zugelassen
1935
13. Februar Zulassungsbeschränkung für Zahnärzte Mai-August Boykottpropaganda gegen Juden gewaltsame Ausschreitungen in verschiedenen Städten lokale Verbote verbieten Juden den Zutritt zu Kinos, Schwimmbädern, Parkanlagen, Kurorten, Gaststätten
21. Mai Arierparagraph für Offiziere
26. Juni Juden wird der Eintritt in den Reichsarbeitsdienst verboten
8. Juli Ariernachweis notwendig für die Aufnahme in die Reichsschaft der Studierenden
25. Juli Nichtarier werden vom Wehrdienst ausgeschlossen
6. August jüdische Künstler werden im Reichsverband jüdischer Kulturschaffender zwangserfaßt
10. September Reichserziehungsminister Rust will noch im Schuljahr 1936 eine möglichst vollständige Rassentrennung durchführen
15. September auf dem NSDAP-Parteitag Parteitag der Freiheit werden die Nürnberger Gesetze verkündet Reichsbürgergesetz,Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre
14. November Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz entfernt Juden aus dem Staatsdienst und den öffentlichen Ämtern
1936
11. Januar Juden dürfen nicht mehr als Steuerhelfer arbeiten
24. März keine staatlichen Beihilfen mehr für kinderreiche jüdische Familien
26. März Juden nicht mehr als Leiter oder Pächter von Apotheken zugelassen 15. Oktober jüdische Lehrer dürfen keinen Privatunterricht an deutschblütige Schüler erteilen
1937
15. April Juden dürfen nicht mehr promovieren 2. Juli durch Runderlaß des Reichserziehungsministeriums werden Sonderklassen für jüdische Schüler an öffentlichen Schulen gebildet 4. November Juden wird der Deutsche Gruß verboten
1938
28. März Jüdische Gemeinden werden von bisher Körperschaften öffentlichen Rechts zu privaten Vereinen herabgesetzt 22. April Verordnungen gegen die Tarnung jüdischer Betriebe durch arische Geschäftspartner
26. April Anmeldung jüdischen Vermögens über 5 000 RM
19. Mai 1. Verordnung zum Personenstandsgesetz; frühere Zugehörigkeit zur jüdischen Religion ist zu vermerken
9. Juni Zerstörung der Münchener Synagoge
14. Juni jüdische Betriebe sind als solche zu kennzeichnen (3. Verordnung zum Reichsbürgergesetz) 15. Juni Juni-Aktion ca. 1 500 jüdische Bürger werden, da sie als vorbestraft gelten (auch Verkehrsdelikt), verhaftet und in Konzentrationslager verbracht Juni Juden und Nichtjuden müssen in Krankenhäusern getrennt werden
6. Juli Juden dürfen Auskunfteien, Maklergeschäfte, Bewachungsbetriebe, Heiratsvermittlungen, Hausverwaltungen, Fremdenführung und Wandergewerbe nicht mehr betreiben
23. Juli Einführung einer mit J versehenen Kennkarte für Juden; gilt ab 1.1.39
25. Juli allgemeines Berufsverbot für jüdische Ärzte; jüdische Ärzte dürfen nur noch Juden behandeln
10. August Zerstörung der Synagoge in Nürnberg
17. August Juden müssen ab 1.1.39 den zusätzlichen Vornamen Sara bzw. Israel annehmen Reichserziehungsminister Rust läßt die gesamte jüdische und hebräische Literatur in Deutschland erfassen
27. September Berufsverbot für jüdische Rechtsanwälte; dürfen als Konsulenten nur noch jüdische Klienten vertreten 5. Oktober Reisepässe von Juden werden eingezogen; Neuausstellungen sind mit einem J versehen 28. Oktober 17 000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit werden ausgewiesen und an die polnische Grenze gebracht
9. November Reichskristallnacht 10. November Jüdische Zeitungen werden verboten; es erscheint nur das offizielle Jüdische Nachrichtenblatt
12. November Verbot der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen; als Sühneleistung müssen die deutschen Juden 1 Milliarde RM zahlen 15. November Verbot des Besuchs öffentlicher Schulen 19. November Juden haben nur noch Anspruch auf jüdische Wohlfahrtsunterstützung
21. November Judenvermögensabgabe wird bei einem Freibetrag von 5 000 RM auf 20 % des Vermögens festgesetzt
3. Dezember Führerscheine und Kraftfahrzeugzulassungen von Juden werden eingezogen
8. Dezember Verbot des Besuchs von Hochschulen 12. Dezember Beschränkungen bei der Ausfuhr von Wertsachen und Devisen bei der Auswanderung
21. Dezember jüdische Schulkinder weiterhin schulpflichtig; nur noch Besuch jüdischer Privatschulen erlaubt
28. Dezember Judenbann Verbot des Besuchs bestimmter öffentlicher Einrichtungen; Fahrt in Schlaf-und Speisewagen wird für Juden verboten
31. Dezember Jüdische Verlage und Buchhandlungen geschlossen
1939
1. Januar Verbot aller jüdischen Organisationen
17. Januar jüdischen Zahnund Tierärzten sowie Apothekern wird die Zulassung entzogen
24. Januar Reichszentrale für jüdische Auswanderung geschaffen; Leiter wird der Chef der Sicherheitspolizei Heydrich
21. Februar Juden müssen Schmuck und Edelmetalle abliefern
4. März arbeitslose Juden werden zu Zwangsarbeiten verpflichtet 24. März die zerstörten Synagogen sind durch die jüdischen Kultusvereinigungen abzutragen
30. April Juden müssen arische Wohnhäuser räumen und Judenhäuser beziehen 16. Juni Heilbäder und Kurorte sind nur noch mit Sondergenehmigung und bei strikter Rassentrennung für Juden betretbar
1. September Beginn des 2. Weltkrieges Ausgangsbeschränkung für Juden ab 20 Uhr, im Sommer ab 21 Uhr
20. September Juden müssen Radioapparate abliefern
12./17. Oktober erste Deportationen von Juden aus Österreich und den Protektorat Böhmen und Mähren nach Polen
19. Oktober als Sühneleistung wird die Vermögensabgabe der Juden von 20 % auf 25 % erhöht
1940
23. Januar Juden erhalten keine Reichskleiderkarte, Lebensmittelkarten werden mit einem J versehen
12./13. Februar erste Deportationen von Juden aus dem Reichsgebiet (Schneidemühl, Stettin, Stralsund) nach Lublin Juni Juden ist das Einkaufen erst ab 15.30 Uhr erlaubt Juni/August
Madagaskar-Plan Plan der Deutschlandabteilung des Auswärtigen Amtes, die europäischen Juden auf der französischen Insel zu deportieren
29. Juli Juden werden Telefonanschlüsse gekündigt
22./23. Oktober Juden aus Baden, Saarpfalz und Elsaß werden ins unbesetzte Frankreich deportiert; Internierung im Lager Gurs 24. Dezember Juden müssen neben der Einkommensteuer noch eine 15%ige Sozialausgleichsabgabe entrichten
1941
7. Januar Juden müssen Sondersteuer in Höhe von 15 % entrichten 7. März Juden werden zur Zwangsarbeit herangezogen
1. September Juden ab dem sechsten Lebensjahr müssen den Gelben Stern tragen
18. September Juden benötigen Erlaubnis für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln 1. Oktober Verbot der Auswanderung jüdischer Staatsbürger aus dem Deutschen Reich
14. Oktober Befehl zur Deportation von Juden aus dem Reichsgebiet (auch Berlin), Transporte bis Januar 1942
25. November deportierten Juden wird die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt; ihr Besitz verfällt dem Deutschen Reich
30. November 10 000 deutsche und einheimische Juden bei Riga erschossen 12. Dezember Verbot der Benutzung öffentlicher Telefone für Juden
1942
20. Januar Wannsee-Konferenz in Berlin: Maßnahmen zur Endlösung der Judenfrage beschlossen
15. Februar Juden dürfen keine Haustiere halten 17. Februar Juden dürfen keine Zeitungen und Zeitschriften halten
13. März Juden müssen ihre Wohnungen kennzeichnen Ende März erste Transporte von Juden aus Deutschland und Westeuropa auch nach Auschwitz
12. Mai Juden dürfen keine arischen Friseure aufsuchen
11./22. Juni Juden erhalten keine Rauchund Eierkarten
12. Juni Juden müssen alle elektrischen und optischen Geräte, Fahrräder und Schreibmaschinen abliefern Juni Beginn der Massenvergasungen in Auschwitz/Birkenau; Deportationen nach Theresienstadt
1. Juli Unterrichtsverbot für jüdische Schüler 30. Juli Jüdische Gemeinden müssen jüdische Kultgegenstände aus Edelmetall abliefern
19. September Juden erhalten keine Fleischund Milchmarken 5. Oktober Himmler befiehlt die Deportation aller Juden aus Konzentrationslagern im Reich nach Auschwitz
9. Oktober Juden dürfen nicht mehr in arischen Buchhandlungen kaufen
1943
27. Februar Juden aus Berliner Rüstungsfirmen nach Theresienstadt und Auschwitz deportiert
30. April Juden wird die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen
19. Juni Reichspropagandaminister Goebbels erklärt Berlin für judenrein
1. Juli Juden in Deutschland verlieren Rechtsschutz durch die Justiz und unterstehen nur noch der Polizei
zusammengestellt in http://forge.fh-potsdam.de/~SWABD/index.htm aus: Broszat, Martin; Frei, Norbert (Hrsg.): Das Dritte Reich im Überblick. Chronik, Ereignisse, Zusammenhänge. München 1992.
Graml, Hermann: Reichskristallnacht. Antisemitismus und Judenverfolgung im Dritten Reich. München 1988.
Juden, Christen, Deutsche. Bd. 1. Stuttgart 1990 Bd. 2/I. Stuttgart 1992 Bd. 2/II, Bd. 3/I, Bd. 3/II