20/02/2025 0 Kommentare
Einen Tag nur helfen
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# Neuigkeiten

Einen Tag nur helfen
St. Nicolai-Mitglied Eckhard Siekmann hat beim Sozialen Mittagstisch geholfen und schildert seine Eindrücke in einem Gastbeitrag in der "Lippischen Landeszeitung" vom 20.2. Mit Dank an alle Ehrenamtlichen, die dort jede Woche helfen und auch Dank an die LZ, die einem solchen Beitrag Raum gibt, drucken wir den Text hier nach.
Einen Tag nur helfen
Wie das in der Praxis aussieht, hat Gastautor Eckhard Siekmann beim Sozialen Mittagstisch erfahren. Ein Erfahrungsbericht zum heutigen Welttag der Sozialen Gerechtigkeit.
Eckhard Siekmann
Lemgo. „Selbstlos dienen“ ist ein wesentlicher Kernsatz auch beim Rotary Club Lemgo-Hanse, dem ich schon viele Jahre angehöre. Dadurch kommt man automatisch in Kontakt zu wohltätigen Einrichtungen, die wir Rotarier unterstützen. Der Soziale Mittagstisch ist eine davon. Es ist ein Verein aus freiwilligen Helferinnen und Helfern, der immer donnerstags in den Räumen des Gemeindehauses hinter der Heilig-Geist-Kirche in Lemgo ein Mittagessen für bedürftige Menschen jeder Herkunft und jeden Alters ausrichtet.
Zum zweiten Mal will ich heute dort einen Tagesdienst leisten. Ich treffe um 10 Uhr ein und staune, dass in drei großen Räumen bereits die Bestuhlung mit Tischen und Stühlen für fast 100 Gäste vorbereitet ist. Seit 7.45 Uhr soll Manfred, der pensionierte Koch und wichtigste Mann des Tages, bereits vor Ort sein, um seine kleine Küche auf die große Aufgabe vorzubereiten. An die 15 Helferinnen und Helfer, darunter auch eine junge Helferin, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr absolviert, begrüßen mich herzlich, und es wird in einem weiteren Nebenraum bereits emsig Salat geschnippelt, Gemüse gehackt und alles für die immerhin drei Gänge des Menüs vorbereitet. Man duzt sich hier. Fast alle sind Rentner, denn für so einen Tag müsste sich ein Berufstätiger ja Urlaub nehmen. Ein Fehler in unserem Gesellschaftssystem?
Fast das gesamte Essen wird ausschließlich aus Spenden der ortsansässigen Supermärkte liebevoll zubereitet, denn das Auge isst ja bekanntlich mit. Also geht die große Aufgabe bereits am Mittwochmittag los, wenn bis zu sechs tatkräftige Helferinnen und Helfer mit privaten Pkw ihre Runden durch Lemgo drehen und die Waren, die in den Märkten, auf dem Wochenmarkt und in Bäckereien übrig bleiben, einsammeln. Es kommt eine Menge zusammen, so dass der Rest nach dem Mittagessen noch an die Gäste verteilt werden kann.
Die Stimmung im Helferteam ist ausgelassen und konzentriert, alles geht nach eingespieltem Plan. Ich selbst starte mit dem Tischdecken, Salatteller auf Rollwagen stellen, Kaffee und Gebäck bereitstellen und serviere später das Essen, räume mit ab und helfe mit beim späteren „Rückbau“ des fast gesamten Gemeindehauses in seinen Normalzustand.
Heute gibt es leckeren Steckrübeneintopf mit Geflügelwürstchen, vorab Salat, als Nachtisch Obstsalat mit Schokocreme. Die Gäste, Menschen aus vielen Ländern, aber auch viele Lemgoer, werden respektvoll und freundschaftlich wie Kunden in einem Restaurant behandelt. Hier werden sie mal verwöhnt, können sich untereinander austauschen, gut essen und mal einen Tag ihre Armut vergessen und mal entspannen.
Gegen 11 Uhr, also eine Stunde vor dem großen Ansturm, sind die Vorbereitungen abgeschlossen und das Helferteam setzt sich in großer Runde zu einem Imbiss zusammen. Wer kann schon hungrig arbeiten? Ich werde in der Runde noch mal begrüßt und komme mit den rüstigen Altersgenossinnen und -genossen ins Gespräch. Ich erfahre hier noch mal viel über diese Einrichtung und deren Probleme. Aber allen scheint es Spaß zu machen, für andere da zu sein, sonst wären nicht so viele seit dem 2. Februar 2017 dabei. An dem Tag wurde diese Aktion das erste Mal durchgeführt. In dieser langen Zeit haben sich alle Handgriffe eingespielt. Ab 11.30 Uhr bildet sich vor dem Haupteingang bereits eine lange Schlange wartender Menschen, teilweise ganze Familien. Gegen 11.45 Uhr ist Einlass. Vor der großen Menge Menschen, die jetzt hier hereinströmt, habe ich durchaus Respekt und hoffe, dass ich mich mit meinen bescheidenen Kenntnissen aus der Gastronomie als Helfer nicht blamiere.
Dann geht es Schlag auf Schlag: 12 Uhr Salat, 12.15 Uhr Hauptgericht, 12.45 Uhr Nachtisch. Ich bin im Team von Birgit, die mir zwischendurch immer wieder Tipps gibt, wenn ich das gebrauchte Besteck in den falschen Eimer legen will oder einen Gast übersehen habe. An den Tischen essen die Gäste und unterhalten sich. Ich muss irgendwie an eine große Konfirmation denken. Was für ein Aufwand! Aber auch was für ein tolles Feedback man bekommt. Allen schmeckt es, einige möchten einen Nachschlag und alle sind dankbar und freundlich. Mit vielen wechselt man ein freundliches Wort. Manch ein Flüchtling aus der Ukraine ist dabei, einigen sieht man auch die Sorgen an und möchte sie am liebsten aufheitern.
Zwischendurch stellen sich mir viele Fragen: Sollte man nicht viel mehr helfen? Was weiß man schon über Armut in Deutschland, unserem Wohlstandsland und wie sich das anfühlt, wenn das Geld nicht reicht? Warum haben wir kein soziales Pflichtjahr, das Helfen zum Programm macht, so wie wir es schon hatten? Gibt es überhaupt ein Patentrezept für Nächstenliebe?
Gegen 14 Uhr, manche Gäste sind noch zum Helfen geblieben, ist fast alles wieder zurückgeräumt, Geschirr für 100 Gäste eingesammelt und in der Spülmaschine. Manfred, der Koch, hat wieder wie ein Uhrwerk gearbeitet und sein Küchenteam dirigiert, konnte sich über viele freundliche Kommentare zu seiner Kochkunst freuen. Er nimmt das alles sehr gelassen. Ein alter Profi eben. Nächste Woche geht es weiter, vielleicht gibt es wieder mein Lieblingsgericht, wie bei meinem ersten Einsatz: Königsberger Klopse.
Mein Lohn für heute? Dankbarkeit und ein gutes Gefühl gebraucht zu werden, das ich lange in mir tragen werde. Ich komme wieder, so viel steht fest.“
Sie wollen mitmachen? Kontakt gerne über: sozialer-mittagstisch-lemgo@web.de
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